Das druckfrische Buch von Klaus Vohn-Fortagne offenbart spannende Erkenntnisse
VON KATHARINA WEIßLING
Bad Münder. Auch das ist Bad Münder: Durch das Museum im Wettbergschen Adelshof läuft kurz vor Ostern nicht unbemerkt der Osterhase, sondern der Ronnenberger Historiker Klaus Vohn-Fortagne. Schokolade hat er nicht im Gepäck, dafür aber einen Schlüssel und geballtes Wissen über Historie und Handwerkskunst der Kurstadt. Sein aktuelles und noch ziemlich druckfrisches Buch: „Glashütten in der Deister-Süntel-Region", herausgegeben vom Forum Glas, zeugt davon. Weil Fohn-Vortagne nicht nur Sinn für alte Schriften hat, veranschaulicht er anhand der Exponate, was so besonders ist an der münderschen Glaskunst. Außerdem plaudert er über Schönheit und über Abgründe rund um den glasklaren Werkstoff. Offensichtlich hat ihn das Thema gepackt, mit dem er sich nunmehr seit zehn Jahren beschäftigt. Drei Glashütten mit wechselvoller Geschichte gab es in der Kernstadt und in Klein Süntel. Außerdem noch die Glashütte Steinkrug in Wennigsen. Heute zeugt noch die Ardagh Group mit rund 160 Mitarbeitern am hiesigen Standort von dieser Geschichte. In den Museumsvitrinen stehen kunstvolle Briefbeschwerer, die die schwer arbeitenden Glaser wohl in ihrer Freizeit schufen, außerdem eine kunstvolle Etagere sowie Milch und Zuckerbehältnisse vom Feinsten. Das alles täuscht nicht darüber hinweg, dass das Geschäft mit dem durchsichtigen Stoff offenbar ein hartes war. Die Glashütten waren zeitweise richtig heruntergekommen und die Arbeit sehr schwer, weiß Vohn-Fortagne zu berichten. „Angeschlagene, schwarze oder fehlende Vorderzähne waren nicht selten", sagt er. Die harte Metallpfeife, mit der die Mitarbeiter vor allem Flaschen bliesen, hatte Schuld daran. Den Lungen ging es nicht besser. Die Glaser vergangener Jahrhunderte standen noch mitten im Rauch und mussten Hitze abkönnen. Wenn der Lohn dies zuließ, löschten sie die auch gerne mit Alkohol, was die Arbeiter in der Kernstadt durchaus mal unbeliebt machte. Das zumindest gibt die Aussage einer schimpfenden Anwohnerin her. Die Geschichte der Glasindustrie selbst ist ganz gut erforscht, ist schon den Vorwörtern des 200 Seiten Werkes zu entnehmen. Dass dennoch ein wirklich schönes Buch daraus entstanden ist, ist Vohn-Fortagnes Töchter, einer promovierten Grafikdesignerin, zu verdanken. Für spannende Wirtschaftsgeschichte und eine neue Forschungsperspektive sorgte Vohn-Fortagne selbst mit großem Gespür für Quellen. Ein Beispiel: Möglicherweise zum ersten Mal in Niedersachsen wurde in Bad Münder Kohle statt Brennholz zur Glasherstellung mit hohen Temperaturen eingesetzt. Und der erbitterte Geldstreit, der zwischen dem Bergbaumeister Christian Rave und der Glashütten Pächterin Dorothea Hentig entbrannte, wirkt doch ziemlich modern. Die Witwe, die als Geschäftsfrau in die Fußstapfen ihres verstorbenen Mannes trat, war mindestens ebenso verschrien wie emanzipiert. Am erbitterten jahrelangen Streit mit ihrem Bruder, dem Bergbaumeister Rave, verdienten schon damals vor allem Rechtsanwälte. Um wirtschaftlich bestehen zu können, zogen die Betreiber der Glashütten innerhalb von vier Jahrhunderten viele Register in der Deister-Süntel Region. Zeitweise ging beinahe die gesamte industrielle Flaschenproduktion am Standort in die damals noch unterentwickelten Vereinigten Staaten. Zu anderen Zeiten wurde reichlich gemogelt und über das rechte Maß verhandelt. Wahrend der Staat genormte Flaschen forderte, wollten Weinhändler das nach Angaben eines Pächters so gar nicht haben. Sie bevorzugten große Flaschen mit vie! Glas um relativ wenig Leerraum. Der Pächter lieferte entsprechend, allerdings ohne das geforderte Siegel mit aufzudrucken. Das fiel auf und „so richtig glücklich ist in früheren Zeiten wohl keiner der Betreiber mit diesem Gewerbe in Bad Münder geworden", resümiert Vohn-Fortagne. Den Exponaten sieht man das so gar nicht an. Und dem Buch auch nicht. Wer sich wahlweise für Lokalgeschichte oder Glas interessiert, mag knapp 25 Euro in dieses Ostergeschenk als lohnende Investition ansehen. Erhältlich ist es unter anderem in der Buchhandlung Wanderer.
Ein Audiobeitrag zu diesem Ereignis von Christoph Huppert für Radio Aktiv
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In dieser Rubrik stellen wir Ihnen unser Forum Glas e.V. durch diverse Artikel aus der regionalen Presse vor. Wir beschränken uns überwiegend auf Beiträge der Neuen Deister Zeitung (NDZ), weisen aber sehr gern darauf hin, dass viele dieser Beiträge der Redaktion in Bad Münder auch in der Deister Weser Zeitung (DEWEZET) und im Deister-Anzeiger der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ) sowie der Hannoversche Presse (HP) erschienen sind. Außerdem sind wir auch für die Audiobeiträge von Christoph Huppert und Renate Müller De Paoli in Radio Aktiv - dem Lokalsender aus Hameln - dankbar. Sie alle geben einen guten Einblick in die Entstehung und die jetzige Arbeit unseres Forums.
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